Ein Männlein steht im Walde

Pilzzeit im Naturpark Bourtanger Moor - Veenland

Wandern
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Pilzzeit im Naturpark Bourtanger Moor - Veenland

Der Herbst ist Pilzzeit - und damit genau richtig, um mit dem Pilzsachverständigen Eugen Pawlowski durch die Wälder des Naturparks Bourtanger Moor - Veenland zu streifen. In dieser Zeit bietet der Pilzexperte regelmäßig Wanderungen im Naturparkgebiet an, die man sicher nicht verpassen sollte: Er erklärt dabei anschaulich, welche Pilze im Wald wachsen und vor allem, ob sie genießbar oder sogar giftig, fade oder bitter sind.
Darüber hinaus gibt es über Pilze noch viel mehr Faszinierendes zu wissen! Allein die Tatsache, dass das, was wir als „Pilz“ bezeichnen, nur den Fruchtkörper des Pilzes entspricht: Der eigentliche Pilz ist ein Geflecht von Pilzfäden, sog. Myzelien, die den Boden durchziehen, in verrottendes Holz vordringen oder mit pflanzlichen Wurzeln eine enge Verbindung eingehen (sog. Mykorrhiza, eine Form der Symbiose zwischen Pflanze und Pilz). Ohne Pilz kein Wald - bringt es der Pilzexperte Eugen Pawlowski auf den Punkt.

Die Vielfalt der Pilze
Beschäftigt man sich mit Pilzen, so hat man es mit einer ungeheuren Bandbreite ihrer Erscheinungsform zu tun: Man denke nur, wo einem Pilze im Alltag begegnen:
Sie sind es, die unsere Haut befallen können und die Hefe, die uns Gebackenes und Alkoholisches beschert und das Penicillin, welches uns heilen kann. Und dann eben die Pilze bzw. deren Fruchtkörper, die uns im Wald begegnen und den Esstisch bereichern.
Seit mindestens 600 Millionen Jahren sind sie auf unserem Planeten heimisch. „Auch wenn wir einen Pilz nicht jedes Jahr an einem Ort sehen, heißt das nicht, dass er nicht da ist!“ betont der Sachverständige: Für einen Pilz sind 50 oder 100 Jahre keine Zeit, er lebt in seinem weitreichenden Myzel und es erscheint nicht jedes Jahr der Fruchtkörper, der uns als Pilz erfreut. Er nutzt ihn lediglich für seine geschlechtliche Fortpflanzung mittels Sporen. Eben jene Fruchtkörper veranlassten die Menschen zu denken, das Pilze zu den Pflanzen gehören – jedoch betreiben sie keine Photosynthese und sind deshalb wie Tiere auf den Abbau organischer Substanz als Lebensgrundlage angewiesen – Diese Erkenntnis führte erst im Jahr 1969 dazu, dass sie heute als eigenes Reich (die Funga) praktisch zwischen Pflanzen (die Flora) und Tieren (die Fauna) angesehen werden.
 
Pilzarten am Wegesrand
Wer sich mit Eugen Pawlowski auf den Weg macht, kommt nicht weit: Denn auf ca. 100 m Laufweg, weiß er unzählige Pilze zu entdecken.
Je nach der Form des Hutes, der Lamellenform, der Brüchigkeit bzw. der Elastizität des Stiels oder sogar oftmals anhand des Geruchs kann man Pilze in verschiedene Gattungen und Arten einteilen: Wer kennt nicht den berühmten Steinpilz! Er gehört zu den Röhrlingen, also Pilzen, die unter dem Hut keine Lamellen, sondern eine Röhrenschicht ausbilden, aus der bei Reife die Sporen fallen. Viele Arten aus dieser Ordnung (Boletales) sind gute Speisepilze - jedoch gibt es auch Übelkeit verursachende und giftige Röhrlinge. Im Papenbusch bei Meppen wächst der Echte Rotfußröhrling (Xerocomus chrysenteron). Leider ist der häufig in Laubwäldern vorkommende Pilz sehr vergänglich, quasi geschmacks- und geruchsarm und wird schnell weich - so dass er als Speisepilz nur bedingt begehrt ist. Dagegen schmeckt der Goldröhrling (Suillus grevillei), der stets unter Lärchen wächst, besser, wenn man erst einmal die klebrige Huthaut vom Pilz entfernt hat.
Von den in den Wäldern des Naturparks ebenfalls häufigen Lacktrichterlingen (Laccaria) gibt es einige Arten, bekannt sind „brauner“ und „violetter“ Lacktrichterling. Diese besitzen genauso wie der zuweilen riesig werdende Parasolpilz (Macrolepiota procera) deutliche Lamellen. Beide werden als Speisepilze gern gesammelt. Eugen Pawlowski zeigt einen grünblättrigen Schwefelkopf (Hypholoma fasciculare), der in geselligen Gruppen an Baumstümpfen die Wege flankiert. Er bildet dunkle Sporen in den Lamellen aus, die dem Kenner die Artunterscheidung zwischen den verschiedenen, sehr ähnlichen Schwefelkopfarten ermöglicht: Unter UV-Licht leuchten seine Lamellen gelbgrün auf - ein sicheres Erkennungsmerkmal! Leider sind sie ziemlich magen-darm-giftig und lösen Übelkeit und Erbrechen aus: Man sollte sie definitiv nicht zu Speisezwecken sammeln!
Ganz anderes Aussehen zeigt die „Geweihförmige Holzkeule“ (Xylaria hypoxylon), oder durch Carotinoide leuchtend orange gefärbte Exemplare der Hörnlinge (Calocera). Es sind Schlauchpilze, die auf den ersten Blick aussehen wie Korallen Jedoch sind sie biegsam und elastisch. Sie wachsen auf verrottenden Ästen und ragen mit ihren armförmigen Fruchtkörpern empor. Genauso seltsam mutet das Äußere der Herbstlorchel (Helvella crispa) an. Bei der weißen, fast durchscheinenden Erscheinung könnte man denken, dass jemand sein Taschentuch fallen gelassen hat! Bei der Wanderung mit dem Pilzsachverständigen wird einem schnell klar: gute Augen und genaues Hinsehen sind nötig, um solche Kostbarkeiten der Natur zu entdecken.

Leuchtende Pilze im Naturpark Bourtanger Moor - Veenland
Welcher Naturliebhaber hätte gedacht, dass es im Naturpark Bourtanger Moor sogar leuchtende Pilze gibt? Eugen Pawlowski erklärt, dass englische Begriffe wie Foxfire, Fairylights, Fairysparks und Ghostfungus darauf hinweisen. Eine von weltweit ca. 60-70 leuchtenden Arten, ist der auch im Naturpark vorkommende Hallimasch (zur Gattung Armillaria gehörend). Eine als Speisepilz beliebte Art, die in Massen altes, verrottetes Holz mit ihrem dichten Myzelgeflecht durchzieht.
Bei passender Feuchte und genügender Temperatur kann dies im Dunkeln gelb- grün leuchten (Biolumineszens). Jedoch nur die Fadengeflechte, nicht der Fruchtkörper - es lohnt sich also ein Blick in die Tiefe des Myzels unter der Rinde! Der biologische Zweck für das Leuchten ist unbekannt. Erst 1823 wurde bei der Untersuchung von Holz aus einer Mine der Zusammenhang mit Pilzwachstum hergestellt.
Für die Biolumineszenz sind Stoffwechselprodukte, die bei der Zersetzung von Substraten (wie Holz) entstehen, verantwortlich. Eine chemische Reaktion unter Mitwirkung des Enzyms Luziferase ruft es hervor. Über den Nutzen für die Pilze gibt es nur Spekulationen: Vielleicht werden Insekten vom Licht angezogen und verbreiten die Sporen oder vielleicht werden nachtaktive Schnecken irritiert und verspeisen dann diese leuchtenden Pilze eben nicht?
Bei der Pilzwanderung zeigt Eugen Pawlowski den Honiggelben Hallimasch (Armillaria mellea) am Stamm einer riesigen Eiche – ein typischer Standort für den Pilz. Die Fruchtkörper weisen meist einen leuchtenden Orange-Ockerton auf.
Überhaupt berichtet der Pilzexperte, ist der Hallimasch eine beeindruckende Erscheinung, ohne für das menschliche Auge überhaupt zu sehen zu sein: So ist ein Exemplar des Hallimasch in Amerika bekannt, welches eine Fläche von neun Quadratkilometern bewohnt und dort seit ca. 2400 Jahren residiert. Die Masse dieses Wesens ist größer als die eines großen Wales.
 
Pilze und Mythologie
Pilze und Geschichten sind eng verbunden: So zitiert Eugen Pawlowski aus der Mythenwelt, dass Pilze seit jeher wegen ihrer geheimnisvollen Lebensweise und ihrer erstaunlichen Eigenschaften mit sehr gemischten Gefühlen bedacht und mit Zauberei und Teufelswerk in Verbindung gebracht werden. Mit einem Lächeln im Gesicht berichtet der Pilzexperte, der auch Gedichte schreibt und vertont, dass seine Leidenschaft für die Pilze genau diese Seite in ihm zum Schwingen bringt: „Vielleicht liegt das an meinen slawisch-russischen Wurzeln!“ lacht der sonst besonne Pilzfreund. Im Deutschen finden sich Bezeichnungen wie Hexenring, Hexenröhrling, Satansröhrling, im niederländischen die Begriffe Paddestoel (deutsch: Krötenstuhl), Addergebroed (deutsch: Natternbrut), oder ganz niedlich, Elfenschermpje (deutsch: Elfenschirmchen).
Weitere Pilzbezeichnungen nehmen Bezug auf Standesbezeichnungen wie Königs-Fliegenpilz, Kaiserling, Herkuleskeule oder Ritterling.
 
Überhaupt - der Fliegenpilz! „Ein Männlein steht im Walde“ - in dem Rätsellied von Hoffmann von Fallersleben (1842) wird mit dem giftigen - ja sogar halluzinogenem Pilz eine falsche Lösung des Liedes aufgezeigt. Tatsächlich handelt es sich wohl um die Hagebutte, die im berühmten Volkslied besungen wird. Der Fliegenpilz ist dennoch bei den meisten Menschen mit diesem Rätsellied verbunden. Er ist mit seinen roten Hut mit den weißen Flecken darauf (dies sind übrigens Reste des „Velums“, der weißen Schutzhaut, die den Pilzkörper während des Wachstums umgibt) mehr als auffällig! Das entscheidende Erkennungsmerkmal für den echten Fliegenpilz ist übrigens die leuchtend orange Farbe des Fruchtfleisches unter der Huthaut, macht Eugen Pawlowski deutlich.


Tipp:
Wanderungen mit dem Pilz-Sachverständigen Eugen Pawlowski finden im Herbst regelmäßig in den Wäldern des Naturpark Bourtanger Moor - Veenland statt. Kontakt über eugen@pawlowski.com. Rechtzeitiges Anmelden ist unbedingt nötig.