Veenloopcentrum Weiteveen

Ein Gespräch mit Henry und Helena Schepers

Wissenswertes

Ein Gespräch mit Henry und Helena Schepers

Das Veenloopcentrum Weiteveen entstand vor fast genau 15 Jahren als eine Art Dorfgemeinschaftshaus. Hier wurden die Aktivitäten der Ehrenamtlichen in der Gemeinde, die sich um die Entwicklung des Dorfes kümmerten, gebündelt. In früherer Zeit war in dem Gebäude direkt neben der Kirche ein Kloster und eine Pastorenwohnung untergebracht. Nach einigen Jahren des Leerstands wurden die Räumlichkeiten für gemeinsame Treffen der Dorfgemeinschaft, als Startpunkt für Wanderungen in das nahe gelegene Bargerveen und als B&B für Übernachtungen hergerichtet werden.

Inzwischen hat sich das Veenloopcentrum zu einer wahren Perle im Internationalen Naturpark Moor - Veenland entwickelt. Es fungiert als eine der acht Moorpforten – den Informationszentren des Naturparks. Laut Helena ist das B&B sogar in den ruhigen Wintermonaten fast immer ausgebucht. Ein kleines Naturinformationszentrum erklärt die Besonderheiten der Flora und Fauna des umgebenen Bargerveens.
Die Aktionen und Wanderungen, die regelmäßig vom Veenloopcentrum ausgehen, finden regen Zuspruch: Frühjahrswanderung morgens beim Sonnenaufgang (inkl. Frühstück in der ehemaligen Pastorenwohnung), Nachtwanderung auf den Sandwegen des Naturschutzgebiets, 3-Königswanderung mit über 700 Teilnehmern, „Olieballenwanderung“ (Oudejaarswandeling)- eine Wanderung mit dem leckeren, typisch niederländischen Gebäck am Freitag nach Weihnachten und schließlich zahlreiche „Rund ums Dorf“- und Gänsewanderungen sind u.a. im Jahresprogramm des Veenloopcentrums (http://www.veenloopcentrum.nl/agenda) zu finden. Kein Wunder, dass so viele Naturliebhaber beidseits der Grenze zu den Wanderungen kommen, denn zusammen mit Henry und Helena Schepers kümmern sich viele Dorf- und Naturführer um das Gelingen der Veranstaltungen. Henry betont, wie gut sich das Dorfleben im kleinen Ort inmitten des Bargerveens entwickelt hat. Heute ist es einer der angesehensten Wohnorte im Umfeld von Emmen. Gerade bei jungen Familien ist es mit seiner grünen Umgebung sehr beliebt. Durch die Erweiterung des Bargerveens, dem Bau der Pufferflächen und Wasserhaushaltsmaßnahmen hat es noch zusätzlich an Attraktivität gewonnen.  Vor allem der Schafstall, der größte der Niederlande, mit seinen über 1.000 Schafen und 100 Rindern, lockt nicht nur den König der Niederlande, Wilhelm Alexander, sondern auch zahlreiche Besucher in die kleine Veenkolonie. Bereits im ersten Jahr nach der Eröffnung des Schafstalls, der Fertigstellung der Wasserbaumaßnahmen und der Erweiterung des Bargerveens waren die Besucherzahlen dreimal höher als erwartet!
 
Helena und Henry freut diese Entwicklung. Henry ist seit 25 Jahren als Dorfvorsteher und seit 8 Jahren als Kommissionsmitglied in Entscheidungsgremien maßgeblich an der Dorfentwicklung beteiligt. Seine Frau Helena ist von Anfang an bei der Entstehung des Veenloopcentrums involviert. Ihre Tochter war in der Entstehungszeit mit der Antragsstellung bei der Regionalverwaltung betraut und sagte: „Meine Mutter kann sich wohl um die Finanzen kümmern“… daraus wurden etliche Jahre Engagement als Kassenwartin.

Heute ist das Naturschutzgebiet das grüne Aushängeschild des kleinen Ortes. Ein Ort, der seit dem 19. Jhd.  genau vom Gegenteil, dem Abtorfen des Bargerveens, geprägt war.  Es war ein sehr armer, unterentwickelter Landstrich und seine Bewohner fochten den täglichen Kampf ums Überleben. Seit ca. 1840 trieben Missernten und Hunger wiederholt deutsche Siedlerfamilien auf die niederländische Seite des damals noch unwirtlichen Bourtanger Moores. Zudem zogen viele deutsche Moorkolonisten in die niederländischen Veenkolonien, um dem Preußischen Militärdienst zu entgehen. Drei Zufälle prägten die weitere Entwicklung des Dorfes:
  1. Der Raub des Tabernakels am 4. Mai 1925, der sechs Tage später in einem Graben im Moor wiedergefunden wurde. Die Kongregation der Franziskanerinnen baute in dessen Folge hier ein Schwesternhaus.
  2. Der Auf- und Niedergang der Torfindustrie.
  3. Die Entwicklung des Naturgebiets Bargerveen in den letzten 50 Jahren sowie der Aufbau des Internationalen Naturparks Moor.
Falls Sie sich fragen, wie ein Diebstahl ein Dorf entwickeln kann, kommt hier die Antwort: Der Diebstahl des Tabernakels 1925 brachte Medienaufmerksamkeit für die elende Lage der Bewohner der Moorkolonie in den ganzen Niederlanden! Als Echo wurden in den Kirchen Spenden gesammelt. Es hieß, die Kirche gäbe Geld für die Mission in Afrika, aber die Menschen im eigenen Land wären noch viel schlimmer dran! So bekam der junge Pastor Veltman viele Spendengelder, die er einsetzte, um 1930 ein Kloster für 6 Nonnen zu bauen. Diese machten sich an die Arbeit und errichteten eine Schule. Sie kümmerten sich fortan um die Bildung, die Versorgung und auch um die Hygiene und Gesundheit der Dorf- und Moorbewohner. Berühmt ist Schwester Engel. Im Veenloopcentrum sind ihr mehrere Informationsständer und auch eine Statue direkt im Garten vor dem Haus gewidmet.
Schwester Engel - eigentliche Schwester Maria ter Engelen - lebte von 1932 bis 1995 im Kloster der Kongregation der Franziskanerinnen als Gemeindeschwester in Weiteveen. Sie war kundig in der Heilpflanzenmedizin und stellte selbst hilfreiche Salben und Arzneien her. Damit ging sie zu Fuß ins Moor, um den erkrankten Menschen zu helfen und sie aufzuklären, wie sie hygienische Maßnahmen ergreifen können, damit die damals weit verbreitete Tuberkulose eingedämmt werden konnte. Manchmal zog sie bis zu 15 km zu Fuß - auch nachts mit einer Laterne - ins Moor über unwegsame Sandwege. Zur Zeit der Schwestern waren die meisten Bewohner des Dorfes Torfgräber mit kleinen Siedlerhöfen. Es gab Höfe, die sog. Plaatzen, für den Buchweizenanbau und mit kleinen Grünländern, in denen die Arbeiter kleine Tierbestände hielten und Gärten nutzen. Es gab Mitarbeiter der Torfwerke, die Wohnungen und feste Gehälter besaßen. Daneben jedoch wohnten auch einfache Torfgräber im Moor, die nur ein kleines Fleckchen rund um ihre Moorkarte bewirtschafteten. Diese waren sehr abgelegen und bitterarm. Genau um diese Menschen kümmerte sich Schwester Engel, um deren Lage zu verbessern.

Mit der Entwicklung des industriellen Torfabbaus entwickelte sich auch Weiteveen weiter. Bis in die 90er Jahre bauten Torfbagger den Weißtorf im Amsterdamsche Veld des Bargervees ab. In der Zwischenzeit verlagerte sich zunehmend die Arbeit weg vom brotlosen Torfarbeiter hin zu lukrativeren Industriearbeitsplätzen in der näheren oder weiteren Umgebung.
Seit 1969 Jahen wurden erst der Meerstalblok, dann immer weitere Gebiete des Bargerveens zu Naturschutzgebieten ausgewiesen und wiedervernässt. Dies setzte eine völlig neue Entwicklung des Dorfes in Gang. Von der Moorkolonie, zur Torfarbeitersiedlung hin zum Naturgebiet wandelte sich das Bild des Ortes.
Diese Entwicklung ist in den Erzählungen des Dorfvorstehers Henry Schepers und seiner Frau Helena lebendig nachvollziehbar. Heute sind die Bewohner des Ortes stolz darauf, dass die Natur dorthin zurückgekehrt ist, wo einst große Bagger schwarze Torfflächen zurückließen. Henry schätzt, dass 95% der Dorfbewohner hinter den Naturschutzmaßnahmen stehen.

Die Entwicklung einer naturnahen Moorlandschaft im Internationalen Naturpark Bourtanger Moor - Veenland ist also ein Motor für die Region geworden. Wer sich über die vielen Aktivitäten und der Schönheit der Landschaft ein Bild machen möchte, finden im Veenloopcentrum Weiteveens einen guten Einstieg dafür.


Mein Tipp:

Führungen des Veenloopcentrums
Auf den Spuren von Schwester Engel: Heilpflanzenführung im Naturpark Moor – Veenland. Die Naturparkführerinnen Dr. Silke Hirndorf, Ria Kramer und Ute Dederer bieten zu verschiedenen Themen spezielle Heilpflanzenführungen an.